Trauer
Wenn wir über Trauer sprechen,
denken wir vielleicht an verstorbene Menschen oder Tiere, die uns sehr
nahegestanden sind. Wir haben einen Verlust erlitten, den es zu
verarbeiten gilt. Die Trauer ermöglicht unserer Seele, dass wir uns aus
dem Alltag zurückziehen können und lässt uns nochmal eine starke Nähe zu
dem zu Betrauernden spüren. Vielleicht sogar noch mehr Nähe als wir sie
bisher erlebt haben.
Gerade das nochmalige Erleben einer starken
Nähe zu dem Verstorbenen kann uns sehr stark innerlich aufwühlen.
Es
können bindende Emotionen entstehen
wie
- Wut
- Angst
- Sorge
- Entsetzen
- Verwirrung
- Schock
- Traurigkeit
- Sinnlosigkeit
- …
Aber
auch lösende Emotionen können uns begleiten
wie
- Erleichterung
- Wertschätzung
- Ehrfurcht
- Glück
- Verehrung
- …
Während
des Trauerprozesses bzw. der Trauerphasen können alle diese Emotionen
auftreten und dürfen auch da sein. Nach einer gewissen Zeit der
Verarbeitung, auch der selbständigen Verarbeitung im Sinne „die Zeit
heilt die Wunden“, werden die bindenden Emotionen weniger und vielleicht
können sich dann die lösenden Emotionen einstellen. In verschiedenen
Kulturen gibt es unterschiedliche Trauerrituale und Trauerzeiten. Als
Kind erinnere ich mich noch, dass gesagt wurde, dass die Trauerzeit ein
Jahr dauert. In dieser Zeit haben die nächsten Angehörigen diese Zeit
auch äußerlich durch ihre Kleidung kundgetan. In der heutigen
schnelllebigen Zeit hat sich das verändert. Auch die Trauer muss
schneller vorbei sein. Aber gerade dann, wenn noch bindende Emotionen da
sind, braucht es Zeit für die Trauer und vielleicht auch Hilfe von
Freunden, Seelsorgern oder Therapeuten.
Die Trauer tritt
nicht nur in Verbindung mit dem Tod auf, sondern auch in Verbindung von
ungelebten Bedürfnissen, speziell von Bedürfnissen, die mit Nähe zu tun
haben. Wenn z.B die Mutter oder der Vater zum Kind keine wirkliche Nähe
aufbauen konnte, dann wird das Kind dieses Bedürfnis abspalten, so dass
es überleben kann. Im Erwachsenenalter kann dann das unerfüllte
Bedürfnis nach Nähe z. B. in einer Partnerschaft oder auch gegenüber
einem Elternteil, eine Wut auslösen. Diese Wut ist dann ein
Sekundärgefühlt, hinter dem ein anderes Gefühl verborgen ist. Meistens
ist das verborgene Gefühl die Trauer, über die dann die eigene
Bedürftigkeit gespürt werden kann. In solchen Fällen ist es gar nicht so
leicht die Wut aufzugeben. Dann müssten wir ja zugeben, dass wir Nähe
brauchen. Aber wir konnten ja nur deshalb überleben, indem wir das
Nähebedürfnis abgespalten haben. Da kommt ein innerer Zwiespalt auf.
Diese Ambivalenz aufzugeben, ist mit dem Zulassen von seelischem Schmerz
verbunden, der oft nur dann zugelassen werden kann, wenn ein geschützter
Rahmen zur Verfügung steht. In Familienaufstellungen und in
Einzelsitzungen habe ich das schon oft erlebt.
Zusammenfassend kann
gesagt werden:
Trauer schafft Nähe mit all den Konsequenzen, die
daraus entstehen. Der Trauer überlagern sich oft bindende Emotionen wie
z.B. Wut oder Sinnlosigkeit. In Trauerritualen und der Trauerzeit, wenn
wir sie uns gönnen können, können die bindenden Emotionen abklingen und
lösende Emotionen entstehen.
Echte Trauer ist auch ein heilendes
Element in Verbindung mit ungelebten Bedürfnissen. Wenn z.B. die Nähe
zur Mutter in der Kindheit nicht ausreichend erlebt wurde, dann kann uns
die Trauer darüber im Erwachsenenalter helfen, die eigene Bedürftigkeit
nochmal schmerzlich zu erfahren und heilend auf uns
wirken.
Vertrauenspersonen wie z.B. Familienangehörige, Freunde,
Seelsorger oder auch Therapeuten können Begleiter in einer
Trauersituation für uns sein.