Scham
Laut Wikipedia wird Scham nicht zu den Primäraffekten, sondern zu den
strukturellen Affekten (ich bin falsch) gerechnet. Scham entsteht, wenn
ein Misserfolg sich auf die Bewertung der ganzen Person auswirkt,
während bei Schuld nur eine einzelne Handlung als schlecht bewertet
wird.
Bei der Schuld gibt es einen Geschädigten, ich fühle mich dieser
Person oder gegenüber der Familie schuldig. Bei Schuld kann ich mich
entlasten, indem ich mich z.B. entschuldige.
Bei Scham ist es oft so, dass es gar nicht um Schädigung geht, es
wurde die Gruppennorm verletzt. Scham betrifft immer die ganze
Persönlichkeit und ist deshalb sehr tiefgreifend.
Fremdschämen: Ich schäme mich z.B. deutscher zu sein, wenn ich die
grölenden Betrunkenen deutschen auf Mallorca sehe.
Scham in der Gesellschaft:
Es gibt Scham- und Schuldgesellschaften. Die westliche Gesellschaft
ist eine Schuldgesellschaft und die östlichen Gesellschaften wie in
Japan und China sind Schamgesellschaften. Wobei eine klare Trennung
nicht möglich ist. Schuld kann ich abtragen, Scham bleibt immer.
Aber auch in unserer Gesellschaft wird Scham als
Herrschaftsinstrument eingesetzt. Als regulativ sozialen Verhaltens
setzt der Staat selbst Scham ein, um ein konformes Verhalten zu
erreichen und auch um sein Machtmonopol zu stärken.
Die Gesellschaft wird als Richter eingesetzt, indem jemand z.B. zum
Klassenfeind erklärt wird (Beschämung in kommunistischen Staaten). Oder
auch indem wir Menschen, die sich nicht konform bezüglich unseres
politischen Denkens verhalten z.B. als Links- oder Rechtsradikale oder
Rassisten beschimpfen. Die Bestrafung erfolgt nicht juristisch, sondern
gesellschaftlich durch Beschämung.
Scham bei uns Menschen:
Scham wird sehr oft als erzieherisches
Mittel eingesetzt. Du bist faul, du bist zu dick …..
Der Psychiater Klaus Thomas Kronmüller sagt in einem Interview in der
Zeit:
Scham gehe mit einem vagen Gefühl einher, ein schlechter Mensch zu
sein, zu versagen, nicht zur Gemeinschaft zu gehören. Wenn das
Schamgefühl außer Kontrolle gerät, dann können Essstörungen und
Depressionen die Folge sein. Für die Pubertät ist das Schamgefühl
typisch. Dies wird von der Werbung oft genutzt, indem z.B.
Schönheitsnormen gesetzt werden und die Pubertierende diese nur dann
erfüllen kann, wenn sie für Diät, Kosmetika und Klamotten viel Geld
ausgibt.
Kronmüllers Strategie um von der Scham wegzukommen ist: Wo
Scham ist, soll Schuld sein. Man muss die diffusen Schamgefühle in
konkrete Probleme verwandeln, die gelöst werden können.
Scham aus Sicht der Psyche:
Scham ist ein wichtiges Regulativ im Kontakt mit Menschen. Das
positive Schamgefühl lässt uns erkennen, wo die Grenzen des Anderen
sind. Ein Mensch ohne Schamgefühl, wird die Grenzen des Anderen nicht
achten. Der Begriff „schamlos“ beschreibt das gut.
Das negative Schamgefühl in uns bedeutet, dass wir nicht „richtig“
sind.
Wie das Schamgefühl entsteht und weitere Infos zu Scham von Dami
Charf:
https://www.traumaheilung.de/trauma-und-scham/
Zusammenfassung:
Schuld bezieht sich auf eine Tat, Scham bezieht sich auf den Menschen
in seiner Ganzheit.
Schuld kann getilgt werden, Scham bleibt.
Die Fähigkeit Scham zu erfahren, macht uns gesellschaftlich
integrierbar.
Wird mein Schamgefühl von Anderen manipulativ verwendet (Erziehung,
Werbung, Gesellschaft, Politik, Religion), trifft es mich in meinem
tiefsten Inneren und kann Störungen meiner Psyche zur Folge haben.
Um von negativen Schamgefühlen befreit zu werden, schlägt Kronmüller
vor, sie in konkrete Probleme zu verwandeln, die dann gelöst werden
können.